Aus der Vereinsgeschichte des Männerchors Harmonie Willisau

Halt der Brigarde Frei vor Willisau, 22.11.1847
Halt der Brigarde Frei vor Willisau, 22.11.1847

Die Gründung des Männerchors Harmonie in der Mitte des 19. Jahrhunderts fällt in eine bewegte Zeit. Auf der Suche nach einer neuen Staatsform gipfelten die Ansichten zwischen Konservativen und Liberalen 1847 in einem Bürgerkrieg, dem Sonderbundskrieg. Bereits ein Jahr später erfolgte die Gründung des föderalistischen Bundesstaates, der im Alltag weitreichende Veränderungen brachte. So galten in der ganzen Schweiz einheitliche Masse und Gewicht, die Zollschranken zwischen den Kantonen wurden aufgehoben, der Schweizer Franken wurde zur Landeswährung, zudem die Rechte und Pflichten der Bürger neu definiert.

Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass in dieser Zeit, als das Verbindende in den Fokus rückte, sich Gleichgesinnte in Vereinen zusammenschlossen. In diesen Kreisen wurde bestimmt auch politisiert. Neben Turn-, Schützen- und Musikvereinen fanden sich auch Sänger in Chören zusammen. In Willisau kam der Anstoss zur Gründung des Männerchors Harmonie vermutlich von Xaver Wechsler, der sowohl als Präsident als auch Chorleiter amtete. Leider sind keine Gründungsprotokolle vorhanden, schriftlich belegt ist aber, dass auf Anregung von Sängern aus dem Entlebuch Ende Juli 1849 in Wolhusen ein Sängertag durchgeführt wurde, an dem der Männerchor Harmonie aus Willisau mit 13 Männern teilgenommen hatte. Mit sechs weiteren Chören zusammen wurde anschliessend der "Kantonal-Gesangsverein" - später in "Kantonalverband Luzerner Chöre" umbenannt - gegründet.

 

Die Protokolle über die 170-jährige Geschichte berichten von vielen Hoch und Tiefs. 1861 wurde Willisau als Festort des Kantonalgesangfests mit 13 teilnehmenden Chören auserkoren. Mehrmals musste der Verein für kurze Zeit seine Tätigkeit einstellen, aber immer wieder liessen sich sangesfreudige Männer finden, die der Harmonie neues Leben einhauchten. Für Unruhe sorgten auch parteipolitische Auseinandersetzungen, die 1909 schliesslich zur Abspaltung des Männerchors Concordia führten. Inzwischen haben sich die Wogen gelegt, gemeinsam haben die beiden Willisauer Männerchöre die Kantonalgesangsfeste 1920, 1952 und 1988, sowie das dezentrale Schweizerische Gesangsfest 1991 organisiert. Der Männerchor Harmonie stellte sich mit seinen Liedvorträgen an verschiedenen Gesangsfesten immer wieder den strengen Juroren. Zu den Höhenpunkten der Vereinsgeschichte gehören im Weiteren die Jubiläen von 1949, 1974 und 1999, zweimal gepaart mit festlichen Fahnenweihen.

Ständchen am Muttertag 1988
Ständchen am Muttertag 1988

Der Männerchor Harmonie ist im Willisauer Kulturleben stark verankert. Die Konzerte, zum Teil mit anderen Chören und Instrumentalisten gestaltet, bereichern die Chorvielfalt des Städtchens. Grosse Beachtung fand das Adventskonzert anlässlich des Christkindlimärts von 2009, das die Harmonie zusammen mit dem Kammerchor Pokroff aus Moskau bestritt.  Selbst der inzwischen mit Il Divo weltberühmte Tenor Urs Bühler feierte seine ersten Solo-Auftritte mit dem Männerchor Harmonie. Die Mitwirkung bei der Willisauer Musiknacht oder bei Chorfestivals, die Ständchen in den Betagtenheimen und die gesangliche Bereicherung von Gottesdiensten zeugen von der vielfältigen Aktivität des Männerchors.

Männerchor Harmonie anlässlich der 150-Jahr-Feier 1999

Selbstverständlich pflegen die Männer in der Harmonie auch die Kameradschaft und Geselligkeit. Während Jahrzehnten, bis 1991, war der legendäre Harmonie-Ball das Ereignis der Willisauer Fasnacht. Heute ist die Raclettestube zum Aushängeschild der Harmonie geworden. Über 2000 Portionen Raclettes und Älplermagronen werden an der Willisauer Kilbi in der gediegen hergerichteten Festhalle der zum Teil jahrzehntelangen treuen Kundschaft serviert. Für Entspannung und frohe Laune sorgen die jährlichen Picknicks mit den Familienangehörigen. In den letzten Jahren sind auch die sporadisch stattfindenden mehrtägigen Sängerreisen in europäische Städte wie München, Salzburg, Dresden und Hamburg zu Highlights für die Sänger geworden. 


Aus der Vereinsgeschichte des Männerchors Concordia

 

Männerchöre waren anfangs des 20. Jahrhunderts hoch im Kurs. Sie gehörten – wie Musikgesellschaften – zum gesellschaftlichen Leben. So gab es in vielen Luzerner Gemeinden zwei Männerchöre und zwei Blaskapellen, politisch streng getrennt. In Willisau spaltete sich von der Harmonie eine Gruppe ab und gründete 1909 die Konkordia. Nun sang man auch in Willisau rot und schwarz. Nach dem Beitritt zum Luzerner Kantonalgesangsverein 1919 erschien der Verein im Verzeichnis hinter der Harmonie, weshalb der Chor kurzerhand in Concordia umgeschrieben wurde.

 

Aufschwung

Es folgten viele Jahre des Erfolgs und des Mitgliederzuwachs. 1937 zählte der Verein 90 Aktivmitglieder. In einem Protokoll von 1968 ist erstmals von einem Sängerrückgang die Rede, 85 waren es damals noch. Dieser Trend hat sich fortgesetzt. Heute zählt der Verein noch rund 40 aktive Sänger, Neumitglieder sind jederzeit höchst willkommen. 

Die Concordia am Kantonalgesangfest 1956 in Hochdorf

Reichhaltiges Vereinsleben

Zum Jahresprogramm gehörte ein Konzert. Beliebt waren dabei die spielerisch hochstehenden Schwänke mit der choreigenen Theatergruppe. Nicht immer, aber meistens kehrte die Sängerschar mit der höchsten Auszeichnung von Sängerfesten zurück.

Reisen in der Schweiz oder ins benachbarte Ausland, Ständchen bei Geburtstagen und Hochzeiten, Geburtstagshöcks, eine St. Nikolausfeier und die Concordia-Fasnacht, natürlich mit charmanter Begleitung, füllten den Vereinskalender. 

Zusammen mit der Harmonie organisierte man 1988 das Luzerner Kantonalgesangfest und 1991 das schweizerische mit mehreren Festorten im Kanton.

Jubiläumskonzert 75 Jahre Concordia in der Pfarrkirche Willisau (1984) 

Gesamtleitung Paul Vonarburg 

Neuzeit

In den letzten Jahrzehnten hat die gesellschaftliche Bedeutung der Chöre abgenommen. Es stehen zu viele Angebote zur Verfügung und man will sich nicht mehr an einen Verein binden. 

Zu den Höhepunkten gehörte 1984 das 75-Jahr-Konzert in der Pfarrkirche, die Weihe der neuen Fahne 2002, die 100 Jahrfeier mit den „Geschiebe Klangbildern“ im neuen Hochwasserentlastungskanal sowie 2019 das Projekt Froschkönig in der Kiesgrube Ettiswil mit vier Chören. Spannende Pläne stehen an, hoffentlich mit vielen neuen Mitsängern.

Das Patenpaar Heidi Bucheli und Pius Grüter und die Sänger mit der neuen Fahne im Jahre 2002


Willisauer Bote: 29. März 2022, Chantal Bossard

Samstag 26. März 2022: Die Wiedervereinigung

 

 

 

 

Ein historischer Moment: Am Samstag den 26. März 2022 gründeten die Männerchöre Harmonie und Concordia den gemeinsamen Verein «Männerstimmen Willisau». Nicht von Zusammenschluss, sondern von einer Wiedervereinigung ist die Rede. Wieso?

  

Stolz die zwei Vereinsfahnen in die Höhe gestreckt, stolzieren die Mitglieder der beiden Männerchöre Harmonie und Concordia am Samstag vom Rathaus durch das Untertor zum Restaurant Mohren. Es ist ein historischer Moment. Denn als sich die Tür des Gasthauses nach etlichen geselligen Stunden wieder öffnet, ist aus zwei Vereinen einer geworden. Ohne Gegenstimmen wurde wahr, was lange niemand für möglich gehalten hätte: Der Männerchor Concordia und der Männerchor Harmonie haben sich zum Verein «Männerstimmen Willisau» zusammengeschlossen. Oder eher: «wiedervereint», wie es Benno Baumeler ausdrückt. Der Sänger des ehemaligen Männerchors Concordia hat sich zusammen mit Willy Meyer (ehem. Präsident Harmonie), Werner Keller (ehem. Präsident Concordia) und Heinz Kägi (ehem. Harmonie) auf der WB-Redaktion eingefunden, um gemeinsam die Gründe für den Zusammenschluss zu erklären. Wichtig hierbei: Der Blick zurück.

 

«Politisch rassenreine» Vereine
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Willisau der Männerchor Harmonie gegründet. Der erste schriftlich belegte Auftritt von Willisauer Sängern ist 1849 datiert, als der Chor am ersten kantonalen Gesangsfest in Wolhusen mit 13 Männern teilgenommen hat. «Männerchöre waren anfangs des 20. Jahrhunderts hoch im Kurs», erklärt Heinz Kägi. «Sie gehörten fest zum gesellschaftlichen Leben dazu.» Ebenfalls zunehmend Bestandteil dieser Zeit: der Graben zwischen den Liberalen und Konservativen, zwischen den «Schwarzen» und den «Roten». «Auch Willisau war zu dieser Zeit politisch und weitgehend auch gesellschaftlich zweigeteilt», sagt Benno Baumeler. Um die Jahrhundertwende habe sich immer mehr die Idee durchgesetzt, nur «politisch rassenreine» Vereine könnten einwandfrei funktionieren und zusammenhalten. So gab es in vielen Luzerner Gemeinden zwei Turnvereine, zwei Schützenvereine, zwei Blaskapellen – und eben auch zwei Männerchöre. Politisch streng getrennt.

 

Die Abspaltung von der Harmonie

Auch beim Männerchor Harmonie kam es deshalb zu einer Abspaltung. Im Nachhinein wurde diese in der Vereinsgeschichte mit folgenden Worten begründet: «Wiederholte krisenhafte Erscheinungen im Schosse des einzigen Willisauer Männerchors, der Harmonie, verhinderten um die Jahrhundertwende eine erspriessliche gesangliche Tätigkeit. Persönliche Differenzen, innere Zwistigkeiten und politische Anfeindungen riefen mehr und mehr nach einer Radikalkur. Diese unerträgliche Situation wurde mit ein gewichtiger Grund für die Gründung eines zweiten Männerchors auf dem Platze Willisau.» 1909 wurde der Männerchor «Konkordia» gegründet. Von da an wurde auch in Willisau schwarz (Harmonie) und rot (Konkordia), heisst liberal und konservativ gesungen. «Dazu eine lustige Anekdote: Nach dem Beitritt zum Luzerner Kantonalgesangsverein 1919 erschien der Verein im Verzeichnis hinter der Harmonie, weshalb der Chor kurzerhand in «Concordia» umgeschrieben wurde», erzählt Werner Keller. Er betont: Obschon sich die zwei Männerchöre in Willisau klar konkurrierten, funktionierte die parallele Existenz von Anfang an einwandfrei. Bereits 1920 führten die zwei Vereine gemeinsam den Kantonalen Sängertag in Willisau durch. An Anlässen wie etwa dem Nationalfeiertag am 1. August wurde oft zusammen gesungen.

Das Image «entstauben»
«In den letzten Jahrzehnten hat die gesellschaftliche Bedeutung der Chöre abgenommen», sagt Willy Meyer. Werker Keller präzisiert: «Wie alle anderen Vereine heutzutage, haben auch die Männerchöre Mühe, junge Leute zum Mitmachen zu animieren.» Die Folge: Mitgliederschwund. Die Harmonie verzeichnete zuletzt noch 25 Aktivmitglieder, Concordia deren 34. Um die Kräfte zu bündeln, wurde in den vergangenen Jahren immer mehr zusammen-gespannt. Ein Musterbeispiel ist das Projekt «Blick ins Steinreich», welches im Frühling 2019 im Naturlehrgebiet Ettiswil über die Bühne ging. Vier Männerchöre aus Willisau, Wolhusen und Ettiswil wollten mit Aufführungen bei der Kiesgrube und im Naturlehrgebiet ihr Image «entstauben». Benno Baumeler hatte das Grossprojekt initiiert. Unter anderem auch, um wieder mehr engagierte Junge von Männerchören zu überzeugen. Um «Schwung in die Sache zu bringen», wie er damals gegenüber dem WB sagte. Ohne Erfolg? «Doch, und ob», halten die vier auf der Redaktion anwesenden Männerchörler unisono fest. Zwar habe ihnen das Projekt keine zusätzlichen Mitglieder beschert. «Doch es hat unsere Zusammenarbeit verstärkt», sagt Keller.

 

Die gemeinsamen Proben
Als der Männerchor Concordia im Sommer 2020 ohne Dirigent dastand, probten sie kurzerhand zusammen mit der Harmonie unter der Stabsführung von Pascal Limacher. «Und das bereitete allen hörbar Freude», sagt Meyer. Nach den gemeinsamen Proben drängte sich immer mehr die Frage nach der Zukunft auf. Ein Zusammenschluss? Nicht abwegig, befanden die Mitglieder beider Vereine. «Also machten wir uns an die Arbeit», sagt Keller. Die dank der Corona-Pandemie eher leeren Terminkalender sorgten für genügend Kapazitäten und Zeit, um den Zusammenschlusses zu planen. Finanzen, Statuten, Inventar...: Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern beider Vereine, machte sich unter der Leitung des Concordia-Sängers Alois Brun daran, die Grundlagen auszuarbeiten. «Fortlaufend wurden die neusten Erkenntnisse an die jeweiligen Vereine weitergeleitet», erzählt Meyer. Der kontinuierliche Informationsfluss habe massgebend zur gelungenen Fusion beigetragen.
  

Den neuen Verein gegründet
Ohne Diskussionen wurde schliesslich auch der Fusionsvertrag am Samstagabend genehmigt. Beide Vereine luden separat zur ausserordentlichen Generalversammlung, wo die Sänger den Fusionsvertrag einstimmig genehmigten. Anschliessend wurde im Restaurant Mohren der Verein «Männerstimmen Willisau» gegründet. Der Vorstand wurde wie folgt gewählt: Werner Keller übernimmt das  Präsidium, Markus Albisser ist Vizepräsident, Willy Meyer Kassier, Hans Setz Aktuar, Dani Häfliger Materialverwalter. Die Revisoren: Beat Loosli und Bruno Greber.

 

Die Aufbruchstimmung
«Es herrscht Aufbruchstimmung», sagt Werner Keller. «Männerstimmen Willisau» soll noch lange Bestand haben, so der neue Präsident. Oberstes Ziel: Junge, motivierte Mitglieder für den Männerchor begeistern. «Doch dafür müssen wir uns zeigen und von uns überzeugen», betont Benno Baumeler. Bereits in zwei Jahren soll in Willisau ein Projekt «mit regionaler Ausstrahlung» über die Bühne gehen. «Eine riesige Sache», so Baumeler. Hintergrund ist das 175-Jahr-Jubiläum des Männerchors. Männerstimmen Willisau – ein junger Verein, schon so alt. «Das soll gebührend gefeiert werden.» Harmonie und Concordia: endlich wieder vereint.